Versuch die Chemie der Tropfentests einfach zu erklären

Rhz69

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Hallo,

ich hatte ja mal versprochen zu versuchen die Chemie der Testreagenzien vorzustellen. Das ist für die Messung nicht so wirklich wichtig, ein paar Schlüsse kann man aber daraus ziehen: z.B. Wie lange die Reagenzien halten, welche Fehler man bei der Messung nicht machen sollte und was die Tests stören kann.

Anfangen werde ich mit dem Phosphat-Test.
Ich bin darauf gekommen, weil ich den JBL Test für die Verwendung mit dem „Wasserpanscher“ Fotometer verwenden wollte. Laut JBL, kann der Test bis 0.05 mg/L messen, der Wasserpanscher Test nur bis 0.1 mg/L. Es zeigt sich aber, dass der Wasserpantscher Test leicht höhere Werte im Fotometer liefert, als der JBL Test, also leicht empfindlicher ist. Damit die Arbeit nicht ganz umsonst ist hänge ich meine Kalibrierkurve an. Daneben eine Tabelle, um Werte abzulesen, wobei ich nur bis 1.1 mg/L und 320 mV gemessen habe.

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Chemie des Phosphattests
Jetzt zur Chemie, die allerdings gleich ein ziemlicher Hammer ist. Dafür gibt es gleich zwei tolle Fachausdrücke zum Angeben.

Heteropolyanion (Ein Anion aus mehreren und unterschiedlichen Kernen)
Charge Transfer Bande (Absorbtionsbande die durch Übertragung (Transfer) von Ladung (Charge) entsteht)

Phosphat ist ein Anion, dass bei hohen pH Werten als PO4(3-) dreifach negativ geladen vorliegt. Für den Nachweis wird die Molybdänblau-Reaktion verwendet. Zur Testlösung wird eine saure Lösung von Molybdat MoO4(2-) zugegeben. Dabei entsteht das Molybdophosphat-Anion, ein sogenantes Heteropolyanion aus 12 Molybdänatomen und einem Phosphoratom verbunden über Sauerstoffbrücken. Die Struktur ist nach ihrem Entdecker Keggin Struktur genannt (findet man bei Wikipedia). Da das ganze im stark sauren (pH etwa 1) stattfindet liegt sie in der protonierten Form vor H3PMo12O40.

12 MoO4(2-) + PO4(3-) +27 H(+) → H3PMo12O40 + 12 H2O

Diese Verbindung ist farblos bis leicht gelblich. Die blaue Farbe bekommt sie, indem man jetzt reduziert. Das geht mit Zinn(II)Chlorid (SnCl2) mit Zinnfolie oder mit Ascorbinsäure. Dabei überträgt man vier Elektronen auf das Molybdophosphat und erhält den Mo(VI)/Mo(V) gemischt-valenten Komplex. Die römischen Zahlen in den Klammern stehen für die Oxidationszahlen, gemischt-valent heist, dass das gleiche Atom mit verschiedenen Oxidationszahlen vorliegt.


H3PMo12O40 + 4 e(-) → H3PMo(VI)8Mo(V)4O40 (4-)

Ein Molekül in dem die gleichen Atome hier Molybdän in verschiedenen Oxidationszahlen vorliegt, kann sehr gut Licht absorbieren. Da dabei die geladenen Elektronen von einem zum anderen Molybdän Atom wandern, heist dieser Prozess Ladungsübertragung, oder englisch charge transfer. Dieser Prozess führt zu der starken Blaufärbung der Testlösung.

Störungen und Fehler beim Testen

Molybdän kann diese Reaktion auch ohne Phosphat machen, aber nicht bei diesem tiefen pH Wert. Dadurch kann man das Molybdat in hohem Überschuss einsetzten bzw. man kann mit der gleichen Reagenzlösung eine grosse breite von Phosphatkonzentrationen bestimmen.
Die Reaktion geht genauso mit Arsenat (AsO4(3-) oder auch mit Silikat SiO4(4-). Arsen ist sehr giftig und kommt hoffentlich in keinem Teich vor. Es kommt aber in Spuren in Tonerden, Lehm etc vor. Eine „Heilerde“ aus einer dubiosen Quelle könnte so etwas verursachen. Also wenn der Phosphat test komisch positiv ist und es den Fischen nicht gut geht und man irgendein Zaubermittel verwendet hat vielleicht mal eine Probe in ein professionelles Labor abgeben.
Silikat reagiert bei den tiefen pH Werten sehr langsam, so dass es nicht stört. Man sollte nur nicht erschrecken, wenn man den Test stehen lässt und er nach einer Stunde doch noch blau wird.

Theoretisch könnte hoher Sauerstoffgehalt die Reaktion verhindern, ich nehme aber an, dass ein grosser Überschuss an Reduktionsmittel verwendet wird. Der Überschuss kann aber zu gross sein und 6 Elektronen auf das Molybdän übertragen, dann zerfällt der Komplex, also nicht „viel hilft viel“ bei den Reagenzien, sondern nach Anleitung arbeiten.
Interessant fand ich eine Aussage, dass diese Reaktion auch organisch gebundenes Phosphat nachweist. Polyphosphate, wie sie früher in Waschmitteln vorkamen kann sie nicht nachweisen, bzw. die Reaktion dauert sehr lange.

Die Tests gibt es mit verschiedenen Reagenzien. Es gibt verschiedene Molybdänsalze, die aber in der sauren Lösung gleich reagieren, es ist dann mal Ammonium mal Natrium mit drin. Zum reduzieren gibt es vor allem zwei Systeme Ascorbinsäure oder Zinn(II)chlorid. Das Zinn wird ebenfalls in den Komplex mit eingebaut und führt zu einer sehr schnellen Reaktion. Ich denke der Wasserpantscher test nutzt diese Chemie. Der Zinnkomplex hat auch einen höheren Extinktionskoeffizienten (absorbiert mehr Licht) so dass das den Unterschied in meinen Messungen erklären könnte. Zur Ascorbinsäure git es noch eine Variante mit Antimon, das ebenfalls mit eingebaut wird.

Stabilität der Reagenzien:
Ascorbinsäure (vermutlich weisser Feststoff bei JBL) ist als Feststoff recht stabil, wenn man es kühl und dunkel aufbewahrt. Ich würde sie nicht in den Kühlschrank legen, da beim öffnen des kalten Behälters Wasser kondensiert. Die Molybdänlösung dürfte lange stabil sein.
Die Zinn(II)lösung dürfte auch lange stabil sein, dunkel aufbewahren, wenn sie nicht mehr OK ist entstehen weisse Ausfällungen/Trübungen. Wichtig wäre die Reduktionsmittel, also am besten alle Reagenzien nicht lange offen stehen zu lassen.

Wer es wirklich genau wissen will.
Ich habe ein paar mehr Literaturstellen gelesen, eine sehr gute Übersicht gibt: E.A. Nagul, I. McKelvie, P. Worsfold, S.D. Kolev, Analytica Chimica Acta. 890 (2015) S. 60-82 (The molybdenum blue reaction for determination of orthophosphate revisited: Opening the black box) müsst ihr aber in eine Unibibliothek gehen.

Jetzt dürft ihr euch vom Chemiehammer erholen. Fragen sind natürlich erlaubt, gerne auch anmerken, wo es unverständlich ist. Ich hab versucht es so einfach wie möglich zu machen, dadurch sind ein paar Schlampereien drin.

Das nächste mal nehme ich den pH Wert Test, das dürfte für alle beteiligten einfacher werden.

Rüdiger
 
Schade das man nur einen Like geben kann. Das ist für mich immer wieder erstaunlich wie simpel du solch komplexen Sachen erklären kannst. All das mach ich heute jedoch heute nur noch über die Sinne, Augen Nase, Zunge und Haut, geben mir inzwischen so viele Informationen zum Wasser. Dazu die die Beobachtung der Fauna und Flora. Das reicht um zu wissen ob und was nicht bei mir passt. Als Gegenmittel hat sich zu 98% frisch Wasser als bestes Mittel etabliert.

Bitte mach trotzdem so weiter :oki :niceday
 
Ist das eventuell ein nicht beherzigter Schreibfehler???
Dabei entsteht das Molybdophosphat-Anion, ein sogenantes Heteropolyanion aus 12 Molybdänatomen und einem Phosphoratom verbunden über Sauerstoffbrücken

Phosphoratom ....... oder.......
Phosphatatom????

Oh Chemie, das war nie mein Ding aber Phosphor brennt schön, ....war es grün?
Phosphat ist doch nicht so brennbar :wunder ?

Ich glaube den Chemie Unterricht hol ich in deinen Threads immer wieder nach, kann ja nicht schaden. :kippe
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist schon richtig geschrieben.
Ein Atom ist das nicht mehr unterteilbare Teilchen in der Chemie. (Die Physiker können das aber) ein Phosphoratom kann elementar als P(0) im Phosphor vorkommen, dann brennt er. Im Phosphat kommt das Phosphoratom als P(V) mit vier Sauerstoffatomen O(-2) umgeben vor: PO4. Die (V) und die (0) stehen für die Oxidationsstufen. Phosphat is dann auch ein Molekül, da es aus mehreren Atomen besteht.
Ein Anion ist ein negativ geladenes Teilchen, das kann ein Atom z.B. Chlorid Cl(—) oder ein Molrkül PO4(3—) sein.

Ich hoffe das hilft
Rüdiger
 

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