MYTHEN & DESINFORMATIONEN ZUM JAPANISCHEN GARTEN
Stand: 29.12.2005
Gärten im japanischen Stil zu gestalten, boomt seit einigen Jahren. Viele Gartenbaufirmen bieten auch Planungen und Ausführungen für Japanische Gärten an, Koihändler und Teichbau-Firmen schießen aus dem Boden.
Bei dieser schnellen Entwicklung bleibt leider oft eins auf der Strecke:
Die Tiefe und Reife der japanischen Ästhetik.
So wie die Wüsten-Nomaden über die meisten Worte für "Sand" verfügen,
gibt es die meisten Begriffe zu ästhetischen Empfindungen in Japan.
Viele davon beziehen sich auch auf die Gartengestaltung und es braucht für einen Europäer bestimmt mehrere Leben diese gänzlich zu erfassen und in sich aufzunehmen. Dennoch lohnt sich eine Annäherung!
Sich nur auf die dekorative Wirkung von verschiedenen japanischen Garten-elementen zu verlassen, schafft noch keinen japanischen Garten, denn dieser ist im Idealfall mehr als die Summe seiner Bestandteile.
Schade ist, dass der Begriff "Japangarten" oder "japanischer Garten" inzwischen auf jedes Gartengelände angewendet wird, was Steinlaternen, Wasserbecken, Brücken oder sogenannten Gartenbonsai (nebenbei ein absurder Begriff, denn "Bonsai" bedeutet "Baum in der Schale") enthält.
Schade eigentlich....
Hier ein paar Mythen und Desinformationen, die sich hartnäckig halten:
Mythos: Japanische Gärten und chinesische Gärten sind ähnlich.
Fakt: Es ist Zeit diese Verwirrung zu stoppen: Diese beiden Gartenstile sind seeeehr unterschiedlich! Ein Besuch im Erholungspark Marzahn in Berlin kann dies verdeutlichen. Dort kann man beide Gartenstile vergleichen.
Mythos: Steinlaternen sind traditionell dazu da, den Garten zu beleuchten.
Fakt: Steinlaternen sind rein ornamentale Elemente, die im Garten Blickpunkte schaffen sollen und eine Verbindung vom Natürlichen zum Formalen/Menschengemachten herstellen sollen. In Japan werden sie normalerweise nie mit Kerzen oder elektrischer Beleuchtung versehen.
Mythos: Der japanische Garten heißt auch "Zengarten"
Fakt: Der Begriff "Zengarten" ist eine westliche Erfindung. In Japan gehört er nicht zum Sprachgebrauch, da dort niemand eine Verknüpfung zwischen dem Zenbuddhismus und Gärten herstellt. Hier sagt ja auch keiner zu einem Kräutergarten "Franziskanergarten" nur weil in ein paar Franziskaner-Klöstern Kräutergärten zu finden sind.
Mythos: Bonsai sind Bestandteil der japanischen Gartenkultur
Fakt: Bonsai (=Baum in der Schale) ist ein Hobby, das mit dem Garten wenig zu tun hat. Die Bonsai werden weder in den Garten gestellt noch gepflanzt. In der Regel werden Bonsai auf Regalen vor einem schlichten Hintergrund präsentiert, da sie so am besten zur Geltung kommen. Die sogenannten Gartenbonsai sind Bäume verschiedener Größen - meistens Kiefern - die durch bestimmte Techniken gestaltet werden. Man spricht also besser von z.B. "gestalteten Kiefern".
Mythos: Alle Dinge im japanischen Garten stehen symbolisch für etwas anderes.
Fakt: In den meisten Fällen ist es eine Falle, sich alles im japanischen Garten symbolisch erklären zu wollen. Es gibt zwar japanische Gärten, deren Beschreibung Symbole enthalten, aber die meisten wurden erst später hinein interpretiert um den Garten vermeintlich interessanter zu machen.
Die einzigen Symbolismen, die mir einfallen, sind je nach Zeit-Epoche die Darstellungen von japanischen und chinesischen Landschaften, Literatur und Mythen (Inseln der Unsterblichkeit u.a.). In der Regel sind aber alle Gärten auch ohne diese Beschreibungen verständlich, da alle enthaltenen Elemente auch immer für sich stehen.
Mythos: In einem japanischen Garten dürfen nur japanische Pflanzen stehen.
Fakt: Die Pflanzenauswahl sollte sich in erster Linie an folgende Kriterien halten: 1. Pflanzen und Standortbedingungen sollten zusammen passen
2. Die Gehölze sollten nicht zu groß werden (also: z.B. keine Kastanien), Stauden nicht zu sehr wuchern.
3. die Gehölze sollten einen grazilen, eleganten und natürlichen Wuchs haben
4. eine aufregende Herbstverfärbung ist wünschenswert (hier muß man ja sagen, dass die japanischen Ahorne unübertroffen sind...)
5. Stauden sollten einen natürlichen Charakter haben (
Gräser,
Farne,
Wildstauden)
6. auffällige und hochgezüchtete Blütenfarben und - formen in bunter Vielfalt möglichst meiden. Besser: einzelne Stauden- oder Gehölzblüher über das Jahr verteilt einsetzen.
Mythos: die
Azaleen-Blüte ist wichtiger Bestandteil des japanischen Gartens
Fakt: Azaleen werden in Japan als Formgehölze beschnitten (leider wachsen sie bei uns nicht so üppig, dass dies hier möglich ist) und damit auch der größte Teil der Blütenknospen. Außerdem wird man wohl in keinem fundierten Buch über japanische Gärten, japanische Poesie u.s.w. irgendetwas zur Azaleenblüte finden. In Japan interessiert sich eben niemand für diese extremen Blütenfarben! Kein Wunder - lieben die Japaner doch die Anmut von zarten
Wildblumen wie
Ackerwinde oder von Kirsch- Pflaumenblüte.
Mythos: typisch für jeden japanischen Garten ist eine Auswahl von Steinlaternen, Wasserbecken. Buddhafiguren, Pagoden.
Fakt: Ein japanischer Garten kann gänzlich ohne diese Elemente auskommen, jedoch selten ohne Felsen, Wasser bzw. Splitt, Wege und Formgehölze. Steinlaternen und Wasserbecken werden sehr sparsam, wenn überhaupt, nur als Akzente gesetzt. Pagoden und Buddhafiguren kommen zu 90 % nicht vor.
Mythos: rot lackierte Brücken und Tori (Shinto-Tore) sind typischer Bestandteil japanischer Gärten.
Fakt: Wer schon einmal in Japan war, hat diese Elemente mit Sicherheit nur in einem Zusammenhang gesehen: als religiöse Symbole vor Schreinen des Shintoismus. Der Shintoismus ist die älteste Religion in Japan. Diese hat die japanische Kultur sicherlich beeinflusst, z.B. wurden Felsen und alte Bäume als beseelte Wesen verehrt. Daher stammt möglicherweise die tiefe Verbundenheit der Japaner zu besonderen Steinen und Felsen. Andere kulturelle Entwicklungen wie z.B. die Teezeremonie, Ikebana, Bogenschießen, Kalligraphie und eben die Gartenkunst sind viel stärker durch eine andere Lebenshaltung beeinflusst: In der Zeit der Shogune und Samurai orientierten sich diese eher am Zen-Buddhismus und an einer Ethik von Treue, Kargheit, Strenge, Einfachheit und Selbstdisziplin, auch um sich vom pompösen Kaiserhof abzusetzen. Alles Verzierte und Bunte hatte in dieser Lebenshaltung keinen Platz. So findet man auch in 99,99% aller japanischen Gärten in Japan (in Deutschland sieht das leider oft anders aus...) weder rote Shinto-Tore noch rote Brücken! Dieser Mythos ist so absurd wie, als würde jemand behaupten, dass in vielen deutschen Gartenanlagen Kreuze stehen würden.
Mythos: die Formen von gestalteten Kiefern, Ilex, Wacholder, Taxus sollten idealerweise in einzelnen, klar von einander abgegrenzten, kugeligen Ponpons an kahlen Ästen bestehen.
Fakt: Die am intensivsten gestaltete Baumart in Japan (zu ca. 95%) ist die Kiefer (meistens die grünnadeligen Pinus thunbergii und Pinus parviflora). Das hängt damit zusammen, dass oft ein Landschaftsbild nachgeahmt wird, wie es auf chinesischen Tuschemalereien dargestellt ist. Aber auch die japanische Küstenlandschaft ist reich an von Wind und Wetter geformten Kiefern. Und genau dieses Aussehen von alten Küstenkiefern dient als natürliches Vorbild für die Gestaltung. Grob beschrieben: einzelne flache Astetagen, die sich nach unten neigen an einem leicht S-förmigen, borkeligen Stamm. Es gibt an die 40 Gestaltungstechniken, die mit Bedacht und Fachkenntnis eingesetzt werden. Leider sind diese Techniken und ihre Anwendung hierzulande nicht alle bekannt und es fehlt oft an einer ästhetischen Vorbildung. Möglicherweise sind dies die Gründe dafür, dass soviele Skurrilitäten wie pudelähnliche Bäumchen in den Gartencentern und Baumschulen angeboten werden. In Japan kommen diese Formen zu 95% nicht vor, in China öfter.....