Zöglinge 2017

Liebe Kirstin,

ach Du meine Güte – den Schreck kann ich Dir nachfühlen! Flüggewerden ist wahrlich nix für schwache Nerven …
Ich halte Euch wie immer ganz fest die Daumen – kommt gut durch die Nacht, Ihr zwei!
 
Die kleine Winnie macht wirklich eine Menge durch, ich drück Euch Beiden ganz doll die Daumen!
 
Die gute nachricht zuerst: Winnie lebt noch :)
die schlechte Nachricht: ich habe keine Ahnung, wie es weiter gehen wird :(

Als ich heute morgen in die Küche kam, hörte ich kein Geräusch aus dem Esszimmer.
Kaum aber machte ich ein Geräusch, begann Winnie in dem abgedunkelten, kleinen Transportflexarium wieder wie wild zu toben.

Nachdem ich ihr ein paar meiner Zuchtfliegen und ein paar Heimchen vorbereitet hatte, holte ich sie aus dem Flexarium.
Sie war so kopflos, wie gestern.
Erst als ich sie in dr hohlen Hand hielt und mit der anderen Hand quasi einen Deckel drüber formte, kam sie langsam zur Ruhe.
Da hinten ihre Schwung- und Schwanzfedern rausschauten hatte ich Zeit, mir die genauer anzusehen :(
Auf der rechten Seite sind zwei Schwungfedern abgebrochen - ca 1,5 - 2 cm fehlten.
Alle restlichen Federn des rechten Flügels hatten auf genau derselben Höhe eine Art Sollbruchstelle - ich glaube, sie ist mit dem Flügel gegen irgendeine Kante geknallt - im Laufe des Tages sind auch die übrigen Federn der rechten Seite weggebrochen.
Es sieht aus wie ein sauberer Schnitt quer rüber mit der Schere :(
Die Schwanzfedern waren noch da, bis auf die ganz rechte, die auf derselben Linie wie die Flügelfedern abgebrochen war.
Alle anderen waren ziemlich verbogen - vermutlich aber eher eine Folge ihrer wilden Panikrennereien, wo sie auch ständig auf den Schwanzfedern "sass", wenn sie irgendwo versuchte, sich hochzustemmen. Im Laufe des Tages verabschiedeten sich auch die Schwanzfederspitzen nach und nach (ca 0,5 cm der Spitzen)

Ich weiss partout nicht, was sie so in Panik versetzt hat.
Ich habe hin und her überlegt.
Eigentlich kommen nur zwei Dinge in Frage:
Entweder hat es draussen irgendeinen grellen Lichtblitz gegeben (Gewitter hatten wir nicht, aber keine Ahnung, ob irgendwo Feuerwerk war) - der würde auch durch die geschlossenen Vorhänge zu sehen sein oder es ist eine von den liebestollen Ringeltauben volle Kante in den Morgenstunden gegen das Fenster geknallt.
Mehr fällt mir nicht ein......
Da Winnie am Morgen unten im Gehege war, muss sie mit der gesamten rechten Seite voll gegen etwas im Gehege geknallt sein.
Da war aber eigentlich nichts, außer die Lampe über dem Futtertisch, wo eine harte, gerade Kante war, die über diese Länge solche Schäden verursachen könnte.

Zurück zu WInnie:
Das Hämatom über dem rechten Auge ist nach wie vor heftig - nicht mehr ganz so prall wie gestern (die Fotos gingen nicht besser, da ich nur das Licht hatte, welches ich zum Füttern brauchte - heller wollte ich ihr nicht antun).
Das Auge selbst sieht klar und gut aus (konnte ich beim eingeben der Augensalbe sehen).
Ansonsten - egal, was ich versuchte: stockdunkel abgehängtes Transportflexarium (weich ausgepolstert), das grosse Flexarium im Dämmerlicht (Vorhänge zu), Gehege (umgebaut statt mit Sand mit Küchenpapier und Handtüchern, damit kein Sand an der Augensalbe kleben bleibt und alle Gegenstände (Teich, Futtertische etc.) entfernt, damit sie nirgends anstossen kann, sondern lediglich zwei Rinden zum draufsetzen) - alles half nichts: Winnie raste völlig kopflos durch die Gegend und kam nirgends zur Ruhe.
Der einzige Ort, wo sie zur Ruhe kam, war meine hohle Hand mit der zweiten Hand locker als Deckel oben drauf.

Das kann ich nun natürlich nicht den ganzen Tag durchziehen - also versuchte ich mit einer kleinen Schale (Winnie war in der Zeit wieder in dem abgedunkelten Transportflexarium und randalierte da pausenlos) und einem Handtuchdach die Handsituation nachzuempfinden - aber auch darin kam sie nicht zur Ruhe - und das, obwohl da wirklich kein Platz für irgendwelche Kapriolen war.

Also wieder die Hand.
Als sie komplett ruhig war, habe ich sie vorsichtig wieder in das Transportflexarium gesetzt.
Das hatte ich bereits vorher mit einem Kopfkissenbezug in Braun- und Bordeuxtönen dick ausgepolstert.
Zum einen hoffte ich, dass die dunklen Farben beruhigender wirken, als das Küchenpapier und die hellen Leinenhandtücher und zum anderen ist der Biberbezug sehr "kuschelig", ohe, dass sie darun mit ihren Krallen hängen bleiben kann, wie es bei Frottee der Fall wäre.
Den Deckenbezug dazu habe ich genommen, um das Flexarium abzudecken.

Ich hörte Winnie noch einige Minuten dort herumlaufen - dann wurde es ruhig:oki

Die nächsten 2 Stunden hörte ich nichts mehr.
Erst, als ich den Deckenbezug anhob, um sie zum Füttern raus zu holen, fing sie wieder an zu rennen - wobei ich sie mir gleich schnappte und in die hohle Hand nahm, wo sie sich wieder beruhigte.
Also ich denke, mit Sicherheit hat sie eine Gehirnerschütterung - und ich fürchte, sie hat irgendwie im Moment auch absolut keine Erinnerungen - an nichts.
Sie scheint meinen Lockruf und meinen Begrüssungsruf nicht zu erinnern, sie erkennt ihre Futterschüssel nicht - da sind irgendwie unzählige Kleinigkeiten, was ihr absolut vertraut war oder sie besonders mochte, was ihr jetzt fremd zu sein scheint.
Vielleicht deswegen die ständige Panik?

Wie auch immer, diese Flexariumvariante funktioniert.
Futtern tut sie noch nicht eigenständig.
Aber während sie gestern und heute Morgen noch ständig versuchte, das Futtertier wieder auszuspucken, hat sie heute Nachmittag angefangen, es gleich abzuschlucken, wenn es erstmal im Schnabel war.

Das klingt jetzt natürlich alles so, als hättei ch den ganzen Tag mit ihr "Trubel" gemacht.
War natürlich nicht so.
Entweder sass ich still im schummrigen Raum mit Winnie in der hohlen Hand oder sie sass in dem abgedunkelten Transportflexarium von einer Fütterung zur nächsten in einem geräuschlosen Raum, während ich im Esszimmer wieder an den neuen Varianten bastelte, die ich dann quasi nach einer sowieso anstehenden Fütterung ausprobierte.

Heute Abend zechneten sich erstmal klitzekleine Fortschritte ab.
Es ist aber noch weit davon entfernt, sagen zu können, dass es wieder wird.
Ich kann auch von Fütterung zu Fütterung nicht sagen, was sein wird.
Im Moment gehe ich auch mit meinen Entscheidungen nach Bauchgefühl.

Heute Abend hat sie zum ersten Mal einen Tropfen Wasser selbständig vom Löffel genommen.
Und als ich sie zur letzten Abendfütterung holte, war es das erste Mal, dass sie beim Anheben des Bezuges nicht sofort in Panik losrannte, sondern ruhiger blieb.

Es kann sein, dass sie morgen früh tot ist - es kann sein, dass sie sich deutlich gebessert hat - es kann auch sein, dass ich plötzlich die Entscheidung treffen werde, sie einzuschläfern - ich weiss es nicht - im Moment entscheidet der Augenblick und mein jeweiliges Gefühl.
Ihre grösste Chance hat sie jetzt wenn überhaupt, dass sie die nächsten Tage reizarm, relativ dunkel und in Ruhe in ihrer Box sitzt -
zum einen, damit sich das Gehirn erholen kann
zum anderen, damit sie ihre Federn nicht noch weiter schädigt.
Wenn die Kopfgeschichte wieder wird, wird sie vermutlich zwar fliegen können, aber nur wenig und unbeholfen.
Mir wäre es lieber gewesen, wen sie eine Schockmauser gehabt hätte - dann würden die Federn gleich wieder nachwachsen.
So wird sie dieses Jahr wieder nicht los können :(

Es ist SOOO ungerecht! Jetzt hat Winnie tapfer den ganzen Winter überstanden - es wäre nur noch eine ganz kurze Zeit gewesen, bis die letzten Schwungfedern fertig sind und dann hätte sie vermutlich auch so gut fliegen können, dass sie raus gekonnt hätte...und dann passiert so etwas!!!

Ich hoffe jetzt auf ein kleines grosses Wunder für Winnie!

Hier die Augenfotos:


Winnie IMG_9250.JPG  Winnie IMG_9252.JPG  Winnie IMG_9254.JPG  Winnie IMG_9256.JPG 
 
Ach Du meine Güte – manchmal kommen einem die Geschehnisse einfach nur furchtbar ungerecht vor. Und so gemein! Ich weiß gar nicht, was ich Euch beiden zum Trost sagen könnte, aber zumindest dies: Ihr habt all mein Mitgefühl und ich wünsche Euch von ganzem Herzen eine ruhige und erholsame Nacht. Auf dass Winnies kleines Köpfchen sich ausruhen kann. Wenn ich an meine Migräne denke (und die empfinde ich in den Symptomen einer Gehirnerschütterung recht ähnlich), dann kann ich Dunkelheit und Schlaf empfehlen. Keine lauten Geräusche, keine starken Sinneseindrücke überhaupt. So einen Kokon, wie Du ihn für Winnie gebaut hast, hätte ich auch gerne, wenn die Schmerzen wieder kommen. Insofern denke ich: Du hast alles richtig gemacht! Und jetzt muss die Zeit zeigen, was wird. Ich halte Euch ganz fest die Daumen! *knuddel*

PS: Ich hab’s nicht übers Herz gebracht, aufs »Gefällt mir« zu klicken …
 
Meine Güte, mir sind beim Lesen die Tränen gekommen. Winnie war doch auf dem besten Weg, diese Hilf- und Ratlosigkeit macht einen richtig traurig. Ich mag gar nicht den nächsten Bericht lesen.
Dir, liebe Kirstin, wünsche ich starke Nerven und eine leichte Entscheidung über Winnies Schicksal, in der großen Hoffnung, dass sie es schafft!
 
Letzte Nacht ist Winnie verstorben.
Als ich das Flexarium heute morgen abdeckte, lag sie in den Kopfkissenbezug gekuschelt, als würde sie schlafen.

Dass sie "gegangen" ist, hat mich fast "erleichtert" - ich habe mir letzte Nacht viele Gedanken gemacht, ob es vertretbar ist, abzuwarten, ob das Schädel-Hirn-Trauma ausheilt angesichts der vielen sehr langfristigen Baustellen, die dann auf Winnie noch zugekommen wären.
Ich hatte mich heute Nacht bereits entschieden, heute nochmal meinen TA anzurufen und die Option "Einschläfern" durchzusprechen.
Mal wieder hat mir ein Zögling diese schwere Entscheidung abgenommen und "selbst entschieden".

Dass dieses Unglück überhaupt geschehen musste, macht mich unendlich traurig :heul und wütend :bruell

Andererseits tröstet mich, dass ich denke, dass sie einen schönen Winter hatte.
Sie war immer eine fröhliche kleine Persönlichkeit und sie machte einen äusserst zufriedenen Eindruck.
Mit ihren zahlreichen Handicaps - allen voran der Kreuzschnabel, der ja irgendwann so heftig war, dass wir da ran mussten und den ich fortan regelmässig alle paar Wochen etwas abgefeilt habe, wären draussen ihre Chancen vermutlich auch sehr begrenzt gewesen.

Da sie damals im Herbst selbst entschieden hatte hier zu bleiben und nicht mit den anderen auszufliegen hatte sie glaube ich keinerlei "Sehnsucht" nach der grossen weiten Welt.

Ich glaube übrigens, dass tatsächlich eine Taube gegen das Fenster geknallt ist.
Ina hat heute Morgen, als sie im alten Pflaumengarten gegenüber vom Esszimmerfenster war, eine tote Taube gefunden, die etwas angefressen war.
Ich habe mir die Fenster nochmal genau angeschaut - und an dem einen ist in dem Dreck ein fettiger Abdruck, der von einer Taube herrühren kann.

Da Winnie keinerlei Medikamente bis auf die Vit A Augensalbe intus hatte und durch Unfall gestorben ist, habe ich sie heute morgen den Rabenkrähen übergeben.
Irgendwie missfiel mir die Vorstellung, sie zu beerdigen, während die Rabenkrähen wohlmöglich irgendwo frisch ausfliegende Jungvögel jagen, um ihre Jungen zu ernähren.

Der Tag heute war ungewohnt.
Mir war gar nicht bewusst, wie sehr das Leben mit Winnie schon zur Gewohnheit geworden war.
Zwei mal ertappte ich mich dabei, den Wasserkocher anzustellen und Futter aus dem Gefrierschrank holen zu wollen, als mir klar wurde, dass das jetzt nicht mehr nötig ist.
Jedes Mal, wenn ich rein kam, fiel mein erster Blick auf die Fernsehantenne und der zweite ins Esszimmer - ach ne, Winnie ist ja nicht mehr da.

Heute Abend habe ich ganz automatisch die Hunde draussen gefüttert und bin erst alleine rein (normalerweise habe ich dann Winnie erst "ins Bett" gebracht, sprich die Esszimmertür zu gemacht, bevor die Hunde mit in die Wohnung, also in die Küche durften.
Erst als ich drin war fiel mir ein, dass die Hunde ja auch gleich mit können.

Es ist schon gewaltig, wie sehr Winnie in den täglichen Ablauf selbstverständlich mit eingebunden war.

Jetzt ist sie bei Puh - die Winnie ja sofort ins Herz geschlossen hatte - ich hoffe, die zwei fliegen jetzt gemeinsam wo immer sie sind :engel
 
Danke Kirstin! Besser als bei Dir hätte Winnie es unter den gegebenen Umständen wirklich nicht haben können, davon bin ich ganz fest überzeugt. Und all Deine zukünftigen Zöglinge werde von dem immensen Schwalbenwissen profitieren, das Winnie und Du zusammengetragen habt. Ich kenne die »Phantomschmerzen« leider auch, wenn ein Tier gegangen ist und man ganz automatisch immer noch die alten Handgriffe macht, ganz aus Gewohnheit: Türen auf und zu, nach der Futterdose greift und auf all die kleinen vertrauten Geräusche wartet, die nicht mehr kommen … seufz.

Fühl Dich mal ganz fest geknuddelt!

Alles Liebe,
Kathrin
 
Och menno - was für ein doofes Ende, nachdem es schon so gut aussah. Aber sie hatte doch eine schöne Zeit bei Dir. In freier Wildbahn wäre sie doch schon seit Monaten tot - trotzdem :traurig
 

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