AW: Victoria
Ich habe es oft erlebt, dass ich ausgelacht wurde wenn ich Pflanzen als Lebewesen bezeichnete. Für sehr viele Leute SIND sie Dekorationsartikel und mehr nicht. Da herrscht dann großes Erstaunen darüber, dass sie krank werden können, Ungeziefer bekommen können, oder dass Blüten auch einmal verblühen. Ich habe schon mehrfach Reklamationen bekommen, weil bei
Seerosen die Blüten ständig nach ein paar Tagen kaputt gingen. Die Leute glaubten ernsthaft, dass sich ein paar Tage nach dem Pflanzen Blüten öffnen und dann mindestens bis zum Herbst ständig offen und makellos sind. Dünger ist ein weiteres Thema das regelmäßig Erstaunen auslöst. Das kann doch nicht sein, dass eine Pflanze Futter braucht??? Oder diese willkürlichen Vorschriften der Gärtner wohin man eine Pflanze setzen darf. Wenn ich einen Kaktus im Aquarium haben will, dann wächst der da auch!
Schuld tragen manchmal auch diverse Gartenzeitschriften. Da werden ganz erstaunliche Pflanzenarrangements mit vielen Bildern präsentiert, z.B. Teichpflanzen in Glasgefäßen für den Wohnzimmertisch. An dem Glas ist nicht der geringste Algenbelag, die Pflanzen stehen straff aufrecht, obwohl das nächste Fenster sicher drei Meter entfernt ist. Sowas kann es nicht geben, aber das wissen die Leser natürlich nicht. Sie machen es nach, und nach einer Woche ist das Glas innen grün geworden und die Pflanzen wachsen alle Richtung Fenster und sehen sehr merkwürdig aus. Ich habe auch schon Freilandpflanzungen abgebildet gesehen, die so nicht funktionieren können. Garantiert wurden da für die Aufnahme ausgewachsene Pflanzen eingebuddelt und schnell abgelichtet. Die Bilder in den Gartenzeitschriften werden für mich generell zum Ärgernis. In vielen Zeitschriften dominieren sie inzwischen absolut. Die Texte werden im Gegenzug immer kürzer und dürftiger und sind oft auch schlecht recherchiert. Teilweise werden richtige Fehlinformationen verbreitet. Wirklich gute Artikel mit fundierten Informationen, bei denen Text und Bild in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, findet man kaum noch.
Victoriasamen ist schwer zu bekommen. Kit Knotts in Florida hat früher reichlich Samen verteilt, aber seit etliche Schlaumeier bei ihr kostenlos tausende Samen abgestaubt und bei Ebay vertickt haben, ist sie sehr zurückhaltend geworden. Das widerspricht eigentlich ihrem Anliegen die echten Arten der Victoria zu verbreiten (in den botanischen Gärten wurden bis vor kurzem nur undefinierbare Hybriden kultiviert), aber ich verstehe ihren Ärger über die Abstauber. Die reine Gier hat also wieder einmal dafür gesorgt, dass etwas nicht mehr erhältlich ist. Die Samen aus Südargentinien habe ich vom Entdecker des Standorts bekommen, und das auch nur weil ich seit Jahren mit ihm befreundet bin und als eine Art 'Botaniker ehrenhalber' betrachtet werde.